Die Geschichte des Nürnberger Trichters
Welcher Erdenbürger, ob groß oder klein, wäre nicht froh, wenner einen Trichter hätte, mit dem er sich die Weisheit für das Lebenund das Fachwissen für den Beruf selbst mühelos in jeder gewünschtenMenge eingießen könnte! Die folgende Geschichte erzählt, dasses so einen Trichter gegeben haben soll. Doch wie so viele wundersame Geschichtenist sie eben leider nur eine Legende. "Der Mann, der den NürnbergerTrichter erfand, hat sicher der Menschheit Bedürfnis erkannt". DieserVers ist wohl kaum zu Unrecht entstanden, denn die Nürnberger werden inaller Welt immer wieder danach gefragt, ob sie den "Nürnberger Trichter" mitgebrachthätten. In den vielen Jahren, in denen über den Nürnberger Trichtergerätselt wurde, hat man zumindest schon einmal die Hersteller des Trichtersentdeckt. Die "Rußigen", wie die Nürnberger Feuerarbeitergenannt wurden, sollen ihn in ihren Essen geschmiedet haben. Eduard Duller erzähltin den schon 1834 erschienenen "Geschichten und Märchen für jungund alt", dass der Schneidersohn Hans Wurst von Tripsdrill nach Nürnbergwanderte, um dort den überall so begehrten Wundertrichter zu suchen. Inder Werkstatt des Altmeisters der Rußigen erfuhr er aber von einem Feuersalamander,dass der Himmelskundige des Königs von Utopien vor zwanzig Jahren den Trichtererworben habe. Hans Wurst wanderte also unverdrossen weiter zum Schloss des Königsvon Utopien. Dort sah er zwar den geheimnisvollen Trichter, bekam ihn aber nicht,sondern wurde zu seinem Entsetzen in ein Gefängnis geworfen. Nach seinerFlucht traf er den Zwerg des Hörselberges. Der erzählte ihm freimütigviele wunderliche Dinge. So hatte er am Schluss seiner Wanderung zwar nicht denbegehrten Nürnberger Trichter erworben, den er nun gar nicht mehr wollte,aber er hatte viel erfahren und war dadurch klüger geworden, so dass erden Nürnberger Trichter gar nicht mehr brauchte. Auch dem "Erfinder" desTrichters wurde mit der im Jahre 1780 in Freienberg erschienenen Spottschrift "BiographischesEhrengedächtnis des weiland Erfinders des Nürnberger Trichters" einDenkmal gesetzt. Es heißt dort, dass es dem "Erfinder" nach vierjährigenVersuchen gelungen sei, den dem Namen nach schon lang bekannten Trichter zu erfinden.Dem Erfinder habe man in dem Städtchen, in dem er sich im letzten Jahr vorseinem Tod aufgehalten habe, ein Denkmal mit der Inschrift errichtet: "Hierliegt der teure Mann, den man mit Gold nur zahlen kann, denn er erfand den NürnbergerTrichter, auf dem er sich zu Tode ritt. Sein müdes Haupt soll ruhn in Fried,und leuchten sollen ihm die ewigen Lichter". In der Stadtbibliothek Nürnbergbefindet sich wohl die älteste Darstellung des Nürnberger Trichters:Auf einem Kupferstich aus dem 17. Jahrhundert sind drei Männer abgebildet,die einem auf dem Boden Liegenden die gesamte Weisheit mit einem großenTrichter eingießen. Man kann auf diesem Kupferstich alle möglichenGegenstände erkennen, die in den Trichter hineingeschüttet wurden.Das Bild trägt die Überschrift: "Seht liebe Leut hie steht derMann, so alle Künst eingießen kann." Welche Bewandtnis hat esnun eigentlich mit diesem "Nürnberger Trichter", der noch heuteauf vielen Ansichtskarten in alle Welt hinaus wandert und in keinem NürnbergerAndenkenladen fehlen darf? Der Nürnberger Senator Georg Philipp Harsdörffer,zugleich Historiker auf vielen Gebieten, Dichter und Gründer des bekanntenPegnesischen Blumenordens, schrieb 1647 ein Lehrbuch der Poesie, das er betitelte: "PoetischerTrichter. Die Teutsche Dicht- und Reimkunst, ohne behuf der lateinischen Sprachein VI Stunden einzugießen". Dieses Buch war zu seiner Zeit so sehrbegehrt, dass schon nach drei Jahren die zweite Auflage erschien. Aber es hatnatürlich auch die Kritik und den Spott derjenigen hervorgerufen, welchedie Dichtkunst nicht für etwas hielten, das "ein jeder Knab in kurzerZeit wird erfassen können". Dieses Werk, das später kurz der "NürnbergerTrichter" genannt wurde, hat dem Nürnberger Trichter seinen unsterblichenRuhm eingebracht. |